Das üppige Frühstück zeigt sich heute weit strahlender als der wolkenverhangene Himmel. Auf nach Quedlinburg zur Stadtführung! Wolkentürme in lebhaftem Steingrau und zunehmender Regen halten uns nicht von einer mehrstündigen und sehr humorvollen Stadtführung ab, bei welcher wir viel Geschichtliches und Amüsantes über Quedlinburg erfahren. Nun wissen wir, warum es “halt‘ die Klappe“ heißt, und was dies mit dem Ladenschlussgesetz zu tun hat.  Wir wandern an diesem Morgen über high-heel-unfreundliches Kopfsteinpflaster, nehmen den Weg durch „die Hölle“ und bestaunen die schönen Fachwerkhäuser und kleinen Gassen.
Anscheinend hat unser Lachen den Regen vertrieben, denn nachmittags, pünktlich zur Kirchenführung durch St. Cyriakus in Gernrode, zeigt sich der Himmel leuchtend blau, so wie die Kuppel im Altarraum!
Wir tauchen in die frühe Romanik ein und erfahren viel über die Geschichte dieses edlen Damenstifts. Ein Hauch von einer Hildegard von Bingen, der da durch St. Cyriakus weht! Somit sind wir bestens eingestimmt auf unser abendliches Konzert, eine Abendmusik. Das erste Konzert unserer Reise. Ein gelungener Einstieg!

Abschied von Gernrode. Nächster Treffpunkt auf dem Weg nach Leipzig ist Naumburg mit Führung durch den Dom, Weltkulturerbe und Heimat der berühmten Uta. Danach bleibt noch etwas Zeit, Naumburg zu durchstreifen.
Am Nachmittag Check-In in einem zentral gelegenen Hotel in Leipzig. Es wird schnell ausgepackt, etwas frisch gemacht, und in der Stadt nach einem schnellem Abendessen gesucht.
Es folgt das Kennenlernen unseres Leipziger Konzertpartnerchores Concerto Vocale und unsere erste gemeinsame Probe für die morgige Motette in der dunklen Thomaskirche. Für viele Chormitglieder ist es das erste Mal, die Stimme an diesem berühmten Ort zu erheben und die Thomaner zu vertreten. Von der Chorempore aus sehen wir zum stockdunklen Altarraum, dort wo Johann-Sebastian Bach begraben liegt. Bewegt und dankbar beschließen wir den Tag und freuen uns auf die erste Mottete morgen.

Nach dem Frühstück erkunden wir die vielen Sehenswürdigkeiten auf eigene Faust: Mendelssohn Haus, Schumann Haus, Reger Gedenktafel, Alte Börse, Bastion, Nicolaikirche, Bahnhof, MDR-Tower, Altstadt, Gewandhaus, Völkerschlachtdenkmal…
Am frühen Nachmittag folgt eine intensive gemeinsame Probe mit beiden Chören. Wir wollen bestmöglich vorbereitet sein.
Die Motette um 18 Uhr beginnt mit einiger Verzögerung, da der Publikumsandrang enorm ist und die Plätze in der Thomaskirche coronabedingt reduziert wurden. Es erfolgen strenge Eingangskontrollen, welche ihre Zeit kosten. Ein paar hundert Personen lauschen uns. Hoch oben von der großen Orgelempore aus singen wir Heinrich Schütz (Deutsches Magnificat), Josquin Desprez (Qui habitat), Thomas Tallis (If ye love me), John Stainer (God so loved the world), Charles Villiers Stanford (Beati quorum via und Nunc dimittis). Thomasorganist Herr Böhme begleitet die Liturgie an der Bachorgel und der kanadische Organist Xaver Varnus spielt Cesar Francks Fuge & Variation, op. 18 an der Sauer-Orgel. Ein ganz besonderes Erlebnis!
An diesem Abend feiern wir gemeinsam in Zill’s Tunnel mit sächsischer Küche und köstlichen Getränken.

Nach einem ruhigen Vormittag treffen wir uns mit dem Concerto Vocale zur Vorbereitung der heutigen Mottete um 15 Uhr. Erneut drängt es sich in disziplinierten 1,5 Meter-Abstandsschlangen an den Eingängen der Thomaskirche. Der Publikumsandrang ist wieder groß. Die Thomaskirche wirkt an diesem freundlichen Nachmittag mit bunten Lichtreflexen der Kirchenfenster an den Wänden oder auf dem Boden.
Heute erklingt das „Te Deum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Dieses Werk ist ein weiteres Highlight unserer Reise und ein Stück, welches wir in den letzten Monaten unter all den pandemiebedingten Umständen (3 Meter Abstand, singen mit Maske, viel Lüften) zu Hause in Essen und Solingen fleißig geprobt haben. Herr Mendelssohn blickt aus seinem Kirchenfenster wohlwollend in den Raum.
Nach der Motette vertiefen wir zusammen mit unserem Partnerprojektchor unsere Studien sächsischer Kochkunst in Barthel’s Hof. Eine wunderbare Gelegenheit sich mit unseren Leipziger Sangeskollegen auszutauschen. Unser letzter Abend in Leipzig!

Der frühe Vogel fängt…, nein, … packt den Koffer. Heute ist Abschied von Leipzig mit dem Sonntagsgottesdienst. Schon um 08:15 Uhr einsingen, dann um 9:30 Uhr erklingen noch einmal Teile des „Te Deums“. Im Kontrast dazu ein Stück im Stil von John Cage „ear for EAR“, eine Improvisation über ‘Komm, heiliger Geist, Herre Gott‘. Thomasorganist Ullrich Böhme umrahmt den Gottesdienst mit Werken von Dietrich Buxtehude: “ Nun lob, mein Seel, den Herren“ und zum Abschluss, auch für uns, ein „Praeludium in d“.

Was wären wir für ein Bachensemble, wenn wir nicht vor dem Bach Denkmal einmal für die Kamera posen würden?! Unser eigenes Fotoshooting zu Füßen des Meisters.
Wir lassen die Reise mit einem gemeinsamen Essen im Ratskeller ausklingen, bevor die meisten schweren Herzens die Segel heimwärts setzen. Einige haben das Glück und verlängern die Reise privat mit ein paar Urlaubstagen.